Lovetrain to Babelsberg ★ Nulldrei, Subkultur & die Liebe

so36-23-02-2014

An dieser Stelle gibt es noch einen etwas anderen Fußballbericht mit ausführlichem subkulturellen Teil. Viel Spaß beim lesen!

Nachdem sich am Samstag Vormittag bei wunderschönen Sonnenschein und Vorfrühlingswetter mit  fast 50 03Nuller_Innen und Umfeld  – ein bunter Haufen an Subkulturen wie Punks, Skins, Antifas, Ultras etc.  – inklusive unseres langjährigen Vorsängers und diversen neuen Gesichtern aus Manchester bis hin zu Jerusalem zusammengefunden hatte, ging es  gut gelaunt & in voller Vorfreude auf das erste Punktspiel nach der Winterpause in Richtung Babelsberg. Am Bahnhof angekommen trafen wir ca. 30 weitere Aktivist_Innen der Nordkurve bzw. des Filmstadtinfernos mit welchen es dann gemeinsam & gemütlich mit einem kleinen Fanmarsch zunächst Richtung unseres Fanladens ging.

Das war es dann aber auch schon mehr oder weniger mit den schönen Ereignissen an diesem Tag. Bis auf gepflegte Skamusik vor Beginn des Spiels im Karli, schönen Gesprächen mit vielen netten Menschen in der Fankurve & der offiziellen Einweihung der neuen Lonsdale-Bande gegen Rassismus gab es zumindest hinsichtlich des grottenschlechten Kicks unserer Elf gegen die Sachsen aus Auerbach nichts positives mehr zu berichten… Wir verloren das Match sang- und klanglos mit 0:2 und stecken nun erneut knietief mitten im Abstiegskampf! Es bleibt zu hoffen, daß sich unser Team nun wirklich zusammenreißt und spätestens am kommenden Sonntag in Zwickau eine wirklich kämpferische und auch punktemäßige saubere Leistung zeigt!

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Glücklicherweise bedeutete diese Niederlage nicht das Ende eines insgesamt tollen Wochenendes: Sonntag Mittag ging es zusammen mit meiner über eine zufällige Begegnung bei einer Regiofahrt  von Berlin zum Ultrash-Plenum in Babelsberg zustande gekommene Liebschaft (Ein zusätzliches Dankeschön geht hier an die Jungle World & den Schokoladen) in Richtung des Kreuzberger Punkrockkultladens SO36. Dort sollten an diesem Tag Oiro & Oma Hans ein Punkrockmatinéekonzert zur Rettung des im vergangenen Jahres abgebrannten Kreuzberger Festsaals (eine Konzert- & Partylocation mit linken Background) stattfinden. Bereits am Vorabend fand ein komplett ausverkauftes Konzert von Oma Hans & Oiro im SO36 statt und auch an diesem Sonntag war der Laden trotz des wunderschönen Wetters erneut annähernd komplett gefüllt. Eine bunte Publikumsmischung aus jungen & alten Punks, aktuellen & ehemaligen Hausbesetzer_Innen, Musikliebhaber_Innen und anderen Freund_Innen des intelligenten Punkrocks gaben sich ein Stelldichein in der altehrwürdigen Kreuzberger Punkrockinstitution.

Das Konzert entwickelte sich entgegen meiner vorherigen Erwartungen (so hatte ich das Ticket überhaupt erst kurzfristig noch angeboten bekommen) zu einem absoluten Highlight: Die Punks, der 2001 in Düsseldorf gegründeten Band Oiro, lieferten ein wirklich gutes und überzeugendes Konzert mit vielen spaßigen Zwischenansagen des Sängers ab. Ein Highlight war für mich als Kurzhaarigen & die deutsche Oi!-Skinszene prinzipiell verachtenden Menschen u.a. der Song mit dem großartigen Titel „Oi Spiesser gib mal Feuer, damit ich dich anzünden kann“ (Video hier).

Am Anfang eines Tages.
Am Anfang eines Lebens.
Am Ende eines Anfangs.
Gefangenschaft als Freiheit.
Niemand sagt wenn die Blätter fallen.
Und der Wind schreit hast du eigentlich Hunger?
Der Grill ist an, er zieht seine Bahn.
Wenn ich sehe weiß ich nicht.

Du hast wohl kleine Tricks.
Nennst sie Ordnung im Schrank.
Du hast keine Wahl.
Oi Spiesser gib mal Feuer
damit ich dich anzünden kann.

Das Herz voller Liebe.
Die Taschen voller Löcher.
Die Leidenschaft brennt.
Wir heulen mit den Kühen.
Jogging for revolution.
Du bist mit spülen dran.
Was macht gott eigentlich so?
Einfach nur schlafen?
Was ist hier los?

Nach dieser ca. eine dreiviertel Stunde dauernden und überzeugenden Show, betraten nach einer kurzen Umbaupause Oma Hans die Bühne des SO36. Die Halle tobte und von der ersten Sekunde an konnte das Punkrockurgestein Jens Rachhut als Sänger von Oma Hans das Publikum absolut mitreißen.  Ein Großteil des Publikums sang die Texte von Oma Hans von der ersten Minute an lauthals mit – eine solche großflächige Textsicherheit habe ich schon lange bei keinem Konzert mehr gesehen. Aber Rachhut hat es in den vergangenen Jahrzehnten mit seinen diversen Punkrockprojekten wie Dackelblut, Blumen am Arsch der Hölle und Kommando Sonnenmilch einfach bewiesen, dass er es geschafft hat, Punkrock auf eine sehr sympathische Art und Weise zu intellektualisieren.  Bei der ganzen Schwemme an stumpfen & dummen Punk-, Oi- und Deutschrockbands der vergangenen Jahre von Stomper 98 über Krawallbrüder bis Frei.Wild ist eine so großartige Band wie Oma Hans leider schon fast zu einer Art Ausnahmeerscheinung  geworden. Und vor allem war es großartig mit welcher Energie & Kraft die Band die ganzen Klassiker vortrug – immerhin ist der Gitarrist mittlerweile 63 Jahre alt und auch Rachhut wird im Jahr 2014 die 60 Jahre vollenden. Schön, dass es noch möglich ist auch mit Punkrock so überzeugend zu altern! Großes Lob an dieser Stelle auch noch an den dreiköpfigen Frauenbackgroundchor von Kommando Sonnenmilch, der die ganze Show von Oma Hans gesanglich perfektionierte!

Gegen Ende gab es zusätzlich zum mittlerweile massiven Stage Diving mit dem Song „Kreisverkehr“ (Video hier) auch noch einen meiner absoluten Lieblingslieber von Oma Hans zu hören.

Sag jetzt lieber nichts – komm mal näher ran
und ich wärme dich – es ist der Bauch der spricht
Das Eis im Wintersee – es ist doch abzusehen
Es kracht + schiebt sich seine Spannungen – aus Spaß

Zwerge wachsen nie – es ist immer Krieg –
Alle haben viel zu wenig + bedanken sich
Kristalle greifen an in der Winterluft
Von dem Hügel da + alles ist gefroren

Es ist der Kreisverkehr, es ist das Eis, das schmilzt
Es ist das arschverdammtes Dasein wo das Schweigen quält/fehlt

Komm jetzt lieber mit – auch wenns härter wird
Denn wir treiben jetzt in Richtung dieser Stille hin
Doch das willst du nicht + mit aller Kraft
Glaubst du an Zwerge die mal Riesen sind

Wir wollen kein Dauergast + keine kranke Macht
Unsere Ohren sind nicht zerschossen von zu vieler Quatscherei
Hier fehlt der Kreisverkehr – Misanthropen zählen
Ihre schlecht gelaunten Tag bis zum Ende hin

Nach Konzertende, einigen coolen Gesprächen mit sympathischen  Menschen und im mittlerweile etwas angetrunkenen Zustand ging es dann auch gleich weiter mit unserem Subkulturprogramm: rein in den Regio in Richtung Potsdam-Charlottenhof mal wieder ins geliebte autonom & subkulturell geprägte  „Black Fleck“.  Dort sollte an diesem Abend im Rahmen der „The Future is still unwritten“-Tour (mit Konzerten in Deutschland, Spanien & Griechenland) ein internationales Zeckenrapkonzert mit Refpolk und DJ Kai Kani aus Berlin (lest Euch hierzu auch unser sehr lesenswerte Interview mit Refpolk durch), Kronstadt aus Barcelona und den beiden Female Hip Hopperinnen Daisy Chain & Miss Zebra aus Thessaloniki und Athen stattfinden.

Da alle Künstler_Innen Mitglieder des relativ neuen linksradikalen und Grenzen überschreitenden Hip Hop Netzwerkes Rap Militante Internazionale sind, wurden zu Beginn des Konzertes ein paar Fragen von Refpolk an die anderen Rapartists über Ihre politischen Ansichten und die Notwendigkeit der internationalen Vernetzung in Zeiten der kapitalistischen Krise gestellt. Hier war vor allem erschreckend zu hören, wie schlimm die Ausformungen der kapitalistischen Krise mittlerweile in vielen Ländern wie Griechenland und Spanien sind: dort herrscht Massenarbeitslosigkeit, Armut und für viele ein alltäglicher Kampf um das nackte Überleben. Auch wenn Deutschland bisher noch als Gewinner der Krise relativ unberührt ist von diesem Ausmaß der sozialen Verelendung, so sollten wir uns dennoch solidarisch zeigen mit den sozialen Kämpfen unserer Genoss_Innen in den anderen europäischen Ländern und auch hierzulande die antikapitalistischen, antifaschistischen & antirassistischen Kämpfe vorantreiben. Ein Vernetzung auf subkultureller & politischer Ebene wie mit dem Netzwerk Rap Militante Internazional ist hier sicherlich ein wichtiger & absolut unterstützenswerter Schritt in die richtige Richtung!

Das Konzert als solches war dann ebenfalls absolut gelungen: die beiden noch sehr jungen griechischen Rapperinnen Daisy Chain & Miss Zebra wußten mit Ihrer sympathischen und kämpferischen Art und einem tollen Flow absolut zu überzeugen! Auch der anarchistische Rapper Kronstadt aus Barcelona war top! Sehr einfühlsame & kritische Texte! Und Refpolk mit Begleitung von DJ Kai Kani und Filou vom Berlin Boom Orchestra rockte natürlich einmal mehr das Haus! Holt Euch das aktuelle Album, es lohnt sich wirklich!

Musikalische Highlights waren zum Schluss dann natürlich noch die gemeinsam gesungenen Stücke They Shall Not Pass und The Future Is Still Unwritten– welche ich Euch hier textlich nicht vorenthalten möchten! Ansonsten ein dickes Dankeschön an alle Beteiligten für das gelungene Wochenende! Der Vierklang aus Fußball, Subkultur, Politik & Liebe ist einfach unschlagbar! Nulldrei & Politik & subkultureller Hedonismus forever! Und am kommenden Sonntag alle auf zur gemeinsamen Auswärtsfahrt nach Zwickau!!!

They Shall Not Pass:

Refpolk:
Das hier ist für meine Leute in Aktion
die sich umseh’n und dort starten, wo sie wohn
ob in Rostock oder Kiew oder Varnsdorf oder
Zürich oder Oslo oder Warschau oder Rom
die NPD fährt von Deutschland nach Tschechien
um mit der DSSS dort zu hetzen
die dramatische Lage der Roma
scheint sowas von normal im Ungarn von Orban
wo willst du Leben zwischen Sarrazin & Co?
Marine Le Pen und Wilders, Strache, NSU?
zwischen Breivik oder Bossi oder bist du auf ’ner
Gay Pride zwischen Nazis, Nachbarn und den Bull’n?
das geht raus an meine Menschen, die vor Ort sind
die dort leben mit ihr’n Ängsten, ihrer Hoffnung‘
weil uns die Geschichte warnt, mache ich mich stark
für das, was wir teil’n — no pasaran

Hook:
For the live everyday and the people we got
non passeranno — non passeranno
for the hope that we have and the freedom we love
они не пройдут — они не пройдут

Lenkin.Hop:
Всё сильнее груз предрассудков давит на плечи
Бытовой расизм поселился в кухнях навечно
Всё сводится лишь к околофутболу Третий раунд стал важнее
чем стереотипы, прочно засевшие в людские головы
К слову лишь, эта зараза крепчает
в телевизионных баталиях и за чашкой чая
я взываю отчаянно сожмите кулаки и сожмите зубы
не дадим дорогу предрассудкам, этого не будет
от запада к востоку и от севера к югу
они не пройдут! этого не будет
от запада к востоку и от севера к югу
они не пройдут! этого не будет
здесь нет места равнодушию и спокойствию
В ответе за каждый проломленный череп и сломанную переносицу
сквозь плотных рядов и тысячи поднятых рук
Они не пройдут! Они не пройдут

Acero Moretti:
Non c’è crisi di coscienza perché parla l’esperienza
la merda resta merda anche se muta l’apparenza
cambia sembianza, la stessa sostanza
siete il braccio armato quando il potere incalza
Ti vuoi riproporre alla moda
ma anche se cambi grafica è il passato che ti inchioda
i vostri „bei tempi“ una strage di innocenti
per questo vi abbiamo schifati da quando siete nati
ora non c’è niente che ti assista
esplode per le strade la rabbia antifascista
e l’unico motivo se sei ancora presente
è che tutto può cambiare ma un infame resta sempre
La vostra scomparsa la nostra missione
Antifascisti per la rivoluzione
internazionale militante
fatto per la gente

Und nicht zu verachten natürlich Refpolks neueste Videoauskopplung „Risse im Granit“ (und den „Blick in meine Zug kunft“ J)

 

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